18.12.2020
Weihnachtsbrief für Ehrenamtliche von Landesbischof Kramer

Zum Christfest 2020

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein Kind ist uns geboren. Die Himmelsboten singen und spielen es. Als musizierende Schar werden sie uns vor Augen gestellt. Denn wer musizieren kann, der musiziere zum Lobe Gottes, wie auf Erden so auch im Himmel … Vom Gleichklang des Alltags hebt sich unter den himmlischen Heerscharen der Pauken-Engel wohl am stärksten ab. Sein Spiel macht aus monotonem Zählen Rhythmus und aus Arithmetik Verkündigungsmusik.
Es ist nicht nur die barocke Deckenbemalung, die in der Kirche St. Petri-Pauli zu Günstedt den Pauken-Engel bei der Arbeit zeigt. An der Orgel-Empore sind tatsächlich zwei Pauken angebracht. Sichtbare und unsichtbare Welt, reale und himmlische Wirklichkeit verschränken sich hier und reizen, einzustimmen in die Himmelsmusik. Mir reicht der Anblick des Pauken- Engels, um innerlich den Eingangschor des Weihnachtsoratoriums zu hören und anzustimmen. Es ist, als würde das immerwährende himmlische Spiel auf einmal laut und hörbar, so, dass ich mich dem gar nicht entziehen kann. Die Paukenschläge zu Beginn und dann »Jauchzet, frohlocket! Auf, preiset die Tage …« Lasst uns einstimmen, ihr Hirten und Hirtinnen, möchte ich euch sagen und weiß doch, dass dieses Singen dieses Jahr an vielen Stellen so schmerzlich vermisst wird. Es wird ganz anders werden als sonst.

Vieles dröhnt in den Ohren: Zahlen, Zahlen – vor einem Jahr hätten wir wohl nicht damit gerechnet, dass wir einmal so genau würden zählen müssen, ob unsere Kirchen und Gemeinderäume groß genug sind, um infektionssicher die Christgeburt zu feiern.

Unerträglich laut wird das Dröhnen, wenn ich mir vergegenwärtige, dass jede Zahl für ein Menschenleben steht.
Das Zählen ist in diesem Jahr sehr präsent. Zwischen rotgefärbten Landkarten und täglich aktualisierten R-Wert-Tabellen, zwischen den Berechnungen der Wählergunst hinsichtlich der Schutzmaßnahmen und der Mitgliedergunst hinsichtlich des kirchlichen Leitungshandelns.
Was sagen die Zahlen und was zählt in dem endlosen Zahlen-Meer?

Eine große Zählung ist im Gange, als Gott etwas klarstellt in seiner Geschichte mit uns. Quirinius ordnet das Steuerwesen der ihm unterstellten Provinz Judäa und lässt die Steuerpflichtigen in Listen erfassen. Während sich die Menschen in ihrer Ahnen Orte mühen, geschieht auf dem Weg etwas sehr Normales: ein Kind wird geboren. Das ist Statistik für die Listenschreiber und alltäglich in der spätantiken Großfamilie. Ein Kind wird geboren – gewöhnlich für die einen und unerreichbar für manche und immer ein Wunder für alle, die es miterleben: Wie sich des frisch zur Welt Gebrachten Lunge entfaltet und ihre Arbeit aufnimmt. Hoffentlich! Aller Augen, Ohren und Nerven warten auf dich, zartes Leben, und auf Deinen ersten Atemzug aus eigener Kraft. Fünf Sekunden sind eine Ewigkeit und das Zeitzählen entspannt sich erst in dankbare Erschöpfung, wenn Du, Kind, deinen ersten Schrei tust und alle Welt hört, wie dich der Schöpfer-Atem durchströmt.

Ein Kind ist uns geboren. In seinem Antlitz leuchtet das Licht des ersten aller Erdentage auf und strahlt in jede Dunkelheit. Mit seinem Herzschlag hallt das Schöpfer-Ja durch Zeit und Raum hindurch. Mit ihm liegt die alte Hoffnung Israels so bar und selbsterklärend und lebendig vor uns wie eh und je: Wunderrat wird man dich, Kind, heißen, denn unsere Ratlosigkeit ist groß. Gottheld, ich hoffe auf dich: Du kannst alles wenden! Ewigvater, du bist bei uns, so wie du immer schon bei uns gewesen bist. Friedefürst, gib Frieden zwischen uns auf Erden und Frieden mit Gott.

Wie lässt sich erfassen, begreifen, bewahren, was nicht zähl- und quantifizierbar ist, nämlich dass Du mit deinem Segen in dieser Zeit mit uns bist, Immanuel? Und wie kommen wir ins Klingen, scheint es doch, als würde auch der diesjährige Advent eine lange Fastenzeit werden?

Wenn das Fell der Trommel gespannt ist, erzeugt sie einen Klang. Wer auf die Pauke eindrischt, macht sie hingegen kaputt. Wir sind gespannt wie die Pauken und die Spannung durch die Vorbereitungszeit und die Festtage zu halten, ist in diesem Jahr herausfordernder als sonst. Unter den Pauken in der Günstedter Kirche steht in Anlehnung an 1. Korinther 4,11:
»Auch wenn man uns schlägt, Geduld all’s trägt.« Geduld wünsche ich Ihnen in diesen angespannten Tagen. Bleiben wir beieinander, trösten und stärken wir uns. Ich danke Ihnen für Ihren Dienst im zu Ende gehenden Jahr und wünsche Ihnen und Ihren Familien, dass die Botschaft von Christi Geburt in Ihren Herzen Raum greift und Frieden schenkt.

Gott segne Sie!
Ihr Friedrich Kramer

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